Den Physikern ist es gegenwärtig nicht möglich, den Ort eines Elektrons innerhalb eines Atoms vorauszuberechnen. Nicht nur das. Ein Elektron kann an mehreren Orten gleichzeitig erscheinen.
Wenn ein Elektron oder ein Photon das kann, warum nicht auch ein Engel, ein Schmetterling, ein warmes Herz, eine verliebte Seele, ein tanzendes Wesen, das Leergut eines genialen Trinkers, eine verstorbene Muse namens John?
Peter Dopatka lebt auf einer Insel, zu der nur Künstler, Trolle und Elfen einen Zugang haben. Er verschließt die Augen und beobachtet die Welt. Er inhaliert musikalische Feinstäube, Energiefetzen aus fließenden Strömen und Quanten menschlicher Wärme, um am Leben zu bleiben. Peter Dopatka würfelt nicht. Er lässt andere für ihn würfeln.
Wer sind nun aber die Anderen, die für ihn würfeln, ihn berühren, wenn er die Augen verschlossen hält, und vor ihm tanzen, wenn er die Augen öffnet? Wer sind die winzigen, manchmal unsichtbaren Auslöser seiner musikalischen Edelsteine, die sich in gigantische Gefühlslawinen verwandeln können?
Es sind die Zitterbewegungen eines frierenden Pianisten, das Summen einer Stubenfliege in einer eng geflochtenen Schleife, die dröhnenden Akkorde einer Gewitterfront, der Flügelschlag übermütiger Engel, das Stottern eines polnischen Zweitakters, die Partitur innerhalb eines Vogelschwarms, das Klappern von Leergutflaschen auf dem Weg ins Nichts, das Nadelspiel einer norwegischen Strickerin, die Satzmelodie eines vergessenen Romans. Das sind nur einige Quellen des musikalischen Schaffens von Peter Dopatka.
Die Titel seiner Klavierstücke scheinen nicht zufällig gewählt zu sein. Titel und Musik verschmelzen in jenem Augenblick zu einer endlosen Geschichte, in dem wir uns Zeit nehmen zu träumen, auch wenn die Endlosigkeit nur zwei Minuten dauert.
Peter Dopatka vermag das Bild eines Vogelschwarms über Stonehenge in seinen Gedanken einzufrieren, Notenlinien darüber zu legen und aus der daraus entstehenden Partitur ein Thema zum gleichnamigen Klavierstück herauszulesen. Seine Inspirationen sind so vielfältig und komplex, so intim und privat, so zerbrechlich und leise, dass es nicht vornehm wäre, diese ans grelle Tageslicht zu zerren und durch bedeutungslose Interpretationen zu ersticken.
Peter Dopatka schenkt uns Geschichten, die in uns selbst entstehen. Wir brauchen seine Bilder nicht zu kennen. Sie sind in dem Moment unbedeutend und gleichgültig, indem wir unsere eigenen lebendig werden lassen. Unsere eigenen Bilder, Geschichten und Empfindungen haben aber nur dann eine besondere Bedeutung, wenn wir die endlose Gleichgültigkeit des Universums akzeptieren und gleichzeitig diese besondere Art von Energie am Leben erhalten, die wir im Volksmund menschliche Wärme nennen.
Henrik Forsat im Herbst 2016